Auf den Kommentar einer alten Freundin auf Facebook habe ich geantwortet, dass ich gerne zu der Frage "Warum ich diesen Weg eingeschlagen habe" schreiben werde. Und das will ich hiermit tun.
Warum verändere ich mein Leben und meine Arbeit so drastisch? Warum wähle ich einen anderen Weg, als ihn alle erwartet haben?
In dieser Frage steckt so viel. Nicht unbedingt in ihrer Antwort.
Die Frage rührt für mich aus einer Welt, in der alles einen Grund hat, in der die Dinge messbar sind und auf Leistungen ausgerichtet. So deute ich die Frage zumindest. Es ist eine Marketingfrage, um einen solchen Blog besser vermarkten zu können. Sicherlich ist es auch fein für die Orientierung der LeserInnen auf der Seite und um einen tieferen Einstieg zu ermöglichen.
Es widerstrebt mir dennoch, diese Frage einfach so mit einer Geschichte zu beantworten.
Ja, ich könnte einfach eine Geschichte erfinden, um die Frage zu klären. Dann wären alle beruhigt und sicher. Aber diese Ruhe kann ich nicht geben. Es ist eine wacklige Situation des Übergangs und da gibt es wenig Klarheit. Eine Antwort will ich dennoch geben. Sie ist vielleicht auf den ersten Blick nicht passend zur Frage. Sie lautet folgendermaßen:
Wie könnte ich ankommen? Niemals werde ich ankommen.
Mein Leben scheint sich aus sich heraus zu entwickeln. Wie der Faden, der auf ein dickes WolIknäuel gewickelt ist und den ich Runde um Runde und Lage für Lage abwickle. So folgt ein Schritt auf den Nächsten und kann nur da sein, weil es den Vorherigen gab.
Ich gehöre nicht zu den Menschenkindern, die geboren werden, mit den Worten auf den Lippen: „Ich werde Ärztin, Herr Lehrer!“ und das dann auch machen. Später in ihrer Biografie stehen dann Sätze wie: „Seit ich denken kann, wollte ich Ärztin werden. Mein Vater war Arzt und ich wollte auch Ärztin sein...“ Nein, so geht meine Geschichte nicht. Sie zerteilt sich in Episoden, Abschnitte, Kapitel. Und alle Teile der Geschichte haben einen Zusammenhang, auch wenn sie manchmal zerhackt daherkommen. Es gibt Zeiten der Reife, Ernte und Entbehrung.
Das Kapitel vor dem heutigen Abschnitt war ein wunderschönes. Ich hatte in Wien am Naschmarkt ein Geschäft. Dort habe ich mit der Hilfe älterer Damen eine Modekollektion produziert und verkauft. Es war eine schwungvolle, intensive Zeit. Aber sie ist vorbei gegangen. Und es war Zeit für eine nächste Episode, in der ich die Essenzen meiner bisherigen Erfahrungen weiterführen und vertiefen kann.
Und warum jetzt? Warum wählte ich diese Ausbildung zur Altenpflegerin, um Sterbebegleiterin zu werden?
Weil es mir richtig erschien.
Weil ich lernen will, wie das Sterben geht, um leben zu lernen.
Weil ich am Sterbebett einer Freundin saß und sich schwungvoll zwei Türen öffneten. Meine Freundin hat die eine gewählt und ich die andere.
So erkannte ich meinen nächsten Schritt und ich bin neugierig, was sich daraus entwickelt.
PS Eine Geschichte gibt es doch, die ich zu diesem Thema erzählen kann.
Die Mutter einer lieben Freundin war, hochbetagt und durch die Demenz beeinträchtigt, in einem Altenheim untergebracht. Zeit ihres Lebens hatte sie viele Handarbeiten gemacht. Meine Freundin D. erzählt von ihr, dass sie immer ein Häkel- oder Strickstück in den Händen hatte. Als die Tage ihres Lebens weniger wurden und ihr Verstand sich aufzulösen schien, da kam D. eines Tages zu Besuch und fand ihre Mutter im Bett vor. Ihre Hände waren leer, aber ihre Bewegungen erzählten, dass sie mit einer unsichtbaren Nadel häkelte. Ganz langsam und Masche für Masche arbeitete sie an etwas. Als D. zu ihr trat und sie darauf ansprach, sagte sie "Ach ja, ich habe noch ein Stück Faden übrig. Ich möchte den Faden gerne noch zu Ende verarbeiten." Wenige Tage später ist sie gestorben.
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