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  • AutorenbildDörte

Setzen sechs.

Aktualisiert: 6. Okt. 2020

Es ist ein normaler Schultag und wir haben Berufsschul-Unterricht bei unserer Klassenlehrerin. Ich bin mit dem Unterrichtsstil dieser Lehrerin wirklich nicht einverstanden und hadere immer wieder mit dem, was und vor allem wie sie uns die Inhalte vermittelt.


Nun bekommen wir heute eine unserer Klassenarbeiten zurück. Jeder wird mit Namen aufgerufen, wir treten einzeln vor und holen uns unsere Unterlagen ab. Willkommen im 20. Jahrhundert.


Ich sehe viele rote Notizen, Haken, Anmerkungen auf meinem Papier, während ich auf meinen Platz zurückkehre. Ich starre darauf und bin wieder einmal fassungslos. Rote Tinte - echt jetzt? In welcher Steinzeit befinden wir uns? Mit Akribie hat die Lehrerin jeden freien Platz auf dem Bogen mit vielen rot durchgestrichenen, kleinen und großen Vs markiert, damit im Nachhinein niemand mehr etwas ergänzen und behaupten kann, dass es doch da stehe, was vorher gefehlt hat... - Echt jetzt?


Ich schaue meine Arbeit durch und versuche zu erfassen, was und wie sie bewertet hat.


Ich habe keine schlechte Note, aber der Fülle der Markierungen zufolge könnte es eine glatte sechs sein. Da ist es eigentlich auch egal, was ich da "richtig" oder "falsch" geschrieben habe. Die Art und Weise ihrer Benotung ist wie ein Schlag ins Gesicht. Und dieser Schlag sitzt. In diesem Moment merke ich nur noch, wie ich schrumpfe und plötzlich sitzt dort an dem Platz hinten in der Mitte nicht mehr eine Mitte 40-jährige Frau, sondern eine 16-jährige Dörte, die mit den Tränen kämpft und sich verurteilt und abgewertet fühlt.

Was ist eigentlich los hier? Und wie komme ich da wieder raus?



Klassenzimmer
Bild: © Dörte Kaufmann


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